Ben Folds Five - The Sound Of The Life Of The Mind (2012)

Das Trio, das ein paar hunderttausend uncoolen College-Kids durch ihre Schulzeit geholfen hat, ist nach 12 Jahren wieder zusammen. Auch wenn’s abgelutscht klingt: der alte Zauber ist noch da. 

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Piano, Bass, Schlagzeug und mehrstimmiger Chorgesang. Mehr brauchten Ben Folds Five nicht, um richtig zu rocken. Und wie bestechend dieses Konzept war, zeigte sich sogar noch besser nach der Bandauflösung im Jahr 2000. Als Bandleader Ben Folds nämlich seine (künstlerisch und kommerziell) sehr erfolgreiche Solokarriere startete (“Rockin’ The Suburbs” von 2001 gehört immer noch zu meinen Lieblingsalben), behielt er das Konzept auf Tour nämlich einfach bei: seine Tourband bestand aus einem Bassisten und einem Schlagzeuger, die auch für die Harmoniegesänge zuständig waren. Mehr brauchte es nicht.

Und deshalb hat sich bei Ben Folds Five trotz 12-jähriger Trennung eigentlich nichts geändert (ausser vielleicht äusserlich: da sind ein paar Pfunde dazugekommen). Man legt die neue CD ein und hat von Anfang an das Gefühl, die Band sei nie weggewesen. Die Drums rumpeln, der Bass dröhnt schön laut, und Folds bearbeitet sein Piano wie ein Berserker - wie um in Erinnerung zu rufen, weshalb man ihn mal den “Piano-Punker” nannte. 

Die Songs reihen sich mühelos ins Werk von Ben Folds Five und von Folds’ Soloalben ein - auch hier wird klassisches Songwriting geboten. Die Songs sind hörbar geschult an Piano Men wie Elton John, Billy Joel und Randy Newman, aber auch an Weird Al Yankovic oder 90er-College-Rock. Und natürlich ist die Band dann am besten, wenn sich in den Spass, den die drei beim Musizieren haben, die Melancholie schleicht, wenn sich Herzschmerz und Harmonien vereinigen. Songs wie “Sky High” oder “Hold That Thought” gehören zu den emotionalen Höhepunkten, aber auch spassige Rocker wie die erste Single “Do It Anyway” oder “Draw A Crowd” überzeugen. Und das Titellied ist ein schönes Überbleibsel aus den Sessions, die Ben Folds vor zwei Jahren mit Texten des britischen Autors Nick Hornby aufgenommen hat (Review). Mit 10 Songs ist das Album kompakt und droht nicht in Reunion-Seeligkeit abzudriften.

Eine Wiedervereinigung, die sich absolut gelohnt hat. Und die Lust macht auf mehr. 

benfolds.com

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Ben Folds Live in Berlin 2005
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Juhui, auf dieses Album habe ich mich schon die ganze Woche - ach was: den ganzen Sommer! - gefreut: “Babel” von Mumford & Sons. (Wurde mit Instagram aufgenommen) High-res

Juhui, auf dieses Album habe ich mich schon die ganze Woche - ach was: den ganzen Sommer! - gefreut: “Babel” von Mumford & Sons. (Wurde mit Instagram aufgenommen)

Bob Dylan - Tempest (2012)

Das neue Album von Bob Dylan ist kein Meisterwerk. Aber es ist unverkennbar das Werk eines Meisters.

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Im deutschen “Rolling Stone” las ich erstmals das Wort ‘Meisterwerk’ in Zusammenhang mit dem neuen Bob Dylan-Album. Klar: irgendwer holt bei Bob Dylan immer gleich die Superlative hervor, Dylan hat auf Kritiker irgendwie diese Wirkung. Nach 10 Tagen mit “Tempest” im Player kann ich sagen: das neue Album ist klar sein bestes seit “Love And Theft” (2001). Für ein Meisterwerk franst es ab der Mitte aber leider zusehr aus.

Die ersten fünf Songs des Albums sind makellos. Der entspannte Opener “Duquesne Whistle” zeigt gleich, was Dylans exzellente Band so drauf hat. Der Song groovt, Dylan tänzelt beinahe durch diese entspannten 5 Minuten und 43 Sekunden, kein Takt ist zuviel. Auch “Narrow Way” und “Pay In Blood” haben diesen Groove, verstaubt und trotzdem nicht von gestern. Dylan bellt sich durch diese Lieder, dass es eine wahre Freude ist. Dabei gelingen ihm ein paar herrliche Textschmankerl (soweit ich sie verstehe, Herr Dylan hat leider keine Texte beigelegt).

Zu diesen fünf makellosen Songs gehören auch das herliche “Soon After Midnight” und, noch viel schöner, “Long And Wasted Years”. Es ist ein herrlich sanfter und gleichzeitig bitterer Song, für mich der Höhepunkt des Albums. Ab Song Nummer 6 beginnt das Ausfransen. Die Songs werden länger (7 Minuten, 9 Minuten, 13 Minuten!), aber nicht unbedingt besser. Das altbekannte Bluesriff von “Early Roman Kings” hat man bereits nach ein paar Takten satt, “Scarlet Town” kann die Spannung leider nicht über 7 Minuten halten, und der Titelsong, eine überlange Abhandlung der Titanic-Katastrophe, ist nicht mehr als ein nettes Guetnacht-Gschichtli. Irgendwo war der Vergleich mit “Desolation Row” zu lesen, aber davon ist dieses Lied meilenweit entfernt. Nach diesen eher schwachen 13 Minuten schafft es die John Lennon-Hommage “Roll On John” leider nicht mehr, die Stimmung zu heben, obwohl das Lied seine rührenden Momente hat.

Wie gesagt: kein Meisterwerk, aber das Werk eines Meisters. Und deshalb halt immer noch besser als vieles anderes.

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Patent Ochsner - Trybguet (2003)

Wie lange kann man den Refrain von “W. Nuss vo Bümpliz” wiederholen? Verdammt lange. Zum Glück wussten Patent Ochsner das im Jahr 2003.

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Eigentlich habe ich nichts Gutes erwartet, als letztes Jahr bekannt wurde, dass ausgerechnet Chris von Rohr (früher Bassist bei KROKUS und jahrelanger Produzent der Benissimo-Rocker GOTTHARD) das “Comeback”-Album der bereits totgeglaubten PATENT OCHSNER produzieren sollte. Zum Glück hört man es nicht. Und zum Glück haben die Ochsners nach einem kreativen Tief und verschiedenen personellen Wechseln ihre Form wieder gefunden. Sie verbinden schmissige, radiotaugliche Popsongs mit dem Charme ihrer früheren Rumpelorchester-Tage und schwelgerischen Balladen. Plumpe Ausrutscher wie das langweilige “Brandstifter” bleiben zum Glück eine Ausnahme.

Es dominiert eine gewisse Schwermut, Songs wie “Novämber”, “Companero” oder “Schnuppe” handeln von verschiedenen Arten des Abschiednehmens. Und “Schlangenäscht”, “Weischwienimeine” oder eben “Zimmer” erinnern einen daran, weshalb PATENT OCHSNER vor 12 Jahren so neu und speziell waren. Büne Hubers Texte sind wie gewohnt gekonnt verspielt, etwas trivial und selten bös, was aber nie stört. Was sich live irgendwann etwas totläuft (Quizfrage: Wie lange kann man den Refrain von “W. Nuss vo Bümpliz” wiederholen? Antwort: Verdammt lange!), ist hier mit rund 47 Minuten erst noch auf ein erträgliches Mass zusammengestutzt. Treibt gut, diese Platte.

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Patent Ochsner - Liebi, Tod & Tüüfu (2005)

2005 suchte ich nach Gründen, die neue Patent Ochsner-CD nicht zu mögen - und fand viele Gründe dafür.

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Ich glaube, vorwerfen kann man mir nichts. Ich war ein guter Fan: treu, solidarisch, begeisterungsfähig. Ich war dabei, seit ich 1991 bei einem Radiokonzert von Stephan Eicher das erste Mal etwas von PATENT OCHSNER gehört habe. Ich war dabei, als sie vom obskuren Rumpelorchester aus Bern zu den Lieblingen der Schweizer Musikszene wurden. Ich war ihnen von ganzem Herzen dankbar, als sie 1994 mitGMÜES wohl eines ihrer schönsten, aber auch traurigsten Alben veröffentlichten, gerade richtig für meinen ersten richtigen, suizidalen Liebeskummer. Ich konnte auch ihrem Bandkrisen-Album STELLA NERA(1997) noch was gutes abgewinnen (zum Beispiel “La Madonnina”, “Los” oder “Schruubstock”). Ich hab’ auch zu ihnen gehalten, als den unsäglichen “Bluetbadbullshitläärloufmagerquark” zu einem 10minütigen Epos ausdehnten. Oder als Büne sich an seinen Solokonzerten völlig unmotiviert über den genialen Resli und seine singende Säge lustig machte. Ich habe erfreut geklatscht, als man 2002 endlich wieder neue Töne von ihnen hören konnte - auch wenn sie glattpoliert durch von Rohrs Regler und etwas langweilig waren und auf der Bühne immer mehr geschunkelt wurde.

Aber bei aller Liebe: LIEBI, TOD & TÜÜFU könnte vielleicht das erste PATENT OCHSNER-Album sein, das ich mir nicht mehr kaufen werde. Warum? “Suech dir kä guete Grung zum bliibe / Grüng zum gah gitt’s gnue”singt Büne auf der neuen Platte. Ich beachte den Rat nicht, und mache mich auf dem Album auf die Suche nach Gründen, es zu mögen.

Also eins ist klar: Der Opener “Grüns Licht” ist kein Grund zum Bleiben. Dieser platte Song reiht sich nahtlos ein in diese typischen OCHSNER-Songs, die sie so gerne als Singles veröffentlichen. “Brügg” von STELLA NERA (1997) ist so einer, “Branstifter” von TRYBGUET (2003) ebenfalls. Strophen in Moll mit eher wenig Begleitung, dann kommt die Bridge mit mehr Instrumenten, schliesslich der gefällige, mehrstimmige Refrain. Wääk. Ab in den Ochsnerkübel damit.

Song 2 ist bereits die erste Ballade, “Diener & Chnächt”, auch hier ein Intro, das man schon von früheren Songs her kennt, eigentlich aber noch hübsch, zumindest bis nach 2 Minuten der unvermeidliche Schunkelrefrain kommt. Und die Bläser. Und die Chörli.

Klar, eigentlich darf man ja eine Band, die wegen ihres unverkennbaren Sounds so bekannt geworden ist, nicht kritisieren, wenn sie eine Platte mit ihrem unverkennbaren Sound machen. Kein Mensch geht zu den MEMPHIS HORNS und meint: “Wie wär’s, wenn ihr die Bläser mal links liegen lasst?” Oder setzt Eric Clapton ans Klavier. Wenn also PATENT OCHSNER schon einen tollen Bläsersatz haben und einer noch Handorgel spielen kann, soll ihnen keiner verbieten, diese auch einzusetzen. Und trotzdem ist es leider so: Das obligate Bläser-Solo nach dem Refrain kommt bei PATENT OCHSNER so sicher wie ein zensiertes "Fuck" auf MTV. Und das kann einem irgendwann einmal auf die Nerven gehen. Man wünschte sich ab und zu, die Band würde ausbrechen, sich einen Dreck um ihren Sound scheren und uns überraschen. Jawohl: überraschen.

Auch dieses hin- und hergerissen-Sein zwischen Heimweh und Fernweh wie in “Heimat” kennt man gerade von PATENT OCHSNER schon zu Genüge. Da wirken Phrasen wie “Mini Heimat isch dert / wo'n i no nie bi gsii” einfach nur langweilig und abgedroschen.

Halt, ich fokussiere nicht mehr. Ich wollte eigentlich Gründe suchen, weshalb ich mir diese Platte doch noch in die Sammlung stellen sollte. Ach ja, “Vohinger & Vovor”, die erste Single-Auskopplung: guter Grund. Das Lied dauert gerade mal zwei Minuten, hat Pfeffer im Füdli und reisst mit, Büne ist so bös wie schon lange nicht mehr. Hier haben wir einen guten Texter, der sich zwar immer schön in seinem Themengebiet zwischen “Verlassen-werden” und “Verlassen” bewegt, der es aber herrlich auf den Punkt bringt, solange er nicht zusehr in Wortzaubereien abdriftet. Da kann er auch mal einen herrlich infantilen Text wie den vom “Füdlifingerfritz” schreiben (ich meine: “Fritz” reimt sich auf “Schlitz”!), es ist trotzdem höchst sympathisch und amüsant. Auch der “Blues” kratzt schön am Lack der Scheinheiligen.

Und gerade dann, wenn man bei “Früecher” denkt: “Gut, diesen Song über die Zeit nach der Trennung, in der sich der Protagonist besauft und über die Liebe trauert, haben wir jetzt schon tausendmal gehört”, genau dann holt uns dieser Büne Huber mit Zeilen wie “E Schnaps für jedes guete Jahr / u für jedes schlächte zwee / Für jedes Jahr dezwüsche eine meh” wieder ab. Wenige schreiben in diesem Land solche Texte. Oder können, ohne lächerlich zu wirken, “Arsch” in ein Liedeslied einbauen.

Und so verzeihe ich den OCHSNERS auf dieser Platte Banalitäten wie “Villechlanisolasy”, “Grüns Licht” oder ewige Liebeslieder wie “Schlächte Verlüürer”. Im Gegenteil - ich freue mich auch auf dieser Platte wie schon früher an den Momenten, wo mich PATENT OCHSNER berühren, mich abholen und packen. Auch wenn ich mich dagegen wehre. Und auch wenn diese Musik wahrscheinlich alles andere als cool ist.

Sollte ich diese Platte also nicht kaufen, dann nur weil ich mich schäme, dass mich solche unverschämt offene gefühlvolle Musik berührt. Einen anderen Grund gibt es nicht, den einen oder anderen schlechten Song schreibt jede Band auf diesem Planeten.

Am besten lässt sich meine Beziehung zu PATENT OCHSNER wahrscheinlich mit Zeilen aus dem neuen Song “Echo” beschreiben. Ein Lied übrigens, das wie “Compañero” nicht von der Liebe zu einer Frau, sondern ganz sicher von der Band selber handelt. Da heisst es: 

“Mir sy so mängisch verreckt / u uverstande / hei fängs so mänge Abstrich gmacht / (…) / Mängs isch i d'Hose / angers isch glunge / Hei funktioniert u hei verseit / (…) / Es isch es Gschänk / gränzt an es Wunder / Nach au däm sy mir gäng no da”.

Liebe, Tod und Teufel. Eigentlich sollte dies ein Verriss werden. “Aber äbe…”

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Ich habe ein Faible für Rock'n'Roll-Roadmovies. Deshalb freue ich mich wie ein kleines Kind auf die Mumford & Sons-Doku “Big Easy Express”.

Nach 6 Folgen ist für mich klar: die neue HBO-Serie “Veep” mit Julia-Louis Dreyfus als fluchende und machtlose US-Vizepräsidentin ist DAS Comedy-Highlight des Jahres.

Endlich sah ich “Anvil” - eine Heavy Metal-Doku, die jedes Herz erweicht. Wunderschön.

Heute vor 20 Jahren: mein erstes U2-Konzert

Mein erstes U2-Konzert heute vor genau 20 Jahren (siehe Ticket) war gleichzeitig auch mein allererstes Konzert im Zürcher Hallenstadion. Eine doppelte Premiere also - trotzdem erinnere ich mich nur noch an Bruchstücke des Abends.

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Was klar ist: ich war 15 Jahre alt und ein noch ganz frischer U2-Fan. 1991 hatte ich U2 erst so richtig kennengelernt, dank dem euphorischen “Rattle And Hum”-Album. Als im Herbst darauf das monumentale “Achtung Baby”-Album erschien, war ich erst ziemlich verwirrt. U2, die ich erst kurz zuvor als die sendungsbewussten Rockstars mit viel Pathos und schlechter Kleidung kennengelernt hatte, waren nun plötzlich eine Band, die das Rockstar-Leben in allen Zügen zu geniessen schien - und die einen Sänger hatte, der sich offenbar die Sonnenbrille auf die Nase geleimt hatte (erst viel später merkte ich, dass Bono damit den “Rockstar-Bono” schuf, ohne den er vielleicht nicht so lange durchgehalten hätte).

Es war die Zeit vor dem Internet. Von Konzerten erfuhr man als erstes aus dem Radio und aus dem BLICK, die Tickets bestellte man per Brief mit einem Talon, den man aus der Zeitung ausgeschnitten hatte. Wenn ein Konzert nach 3 Tagen ausverkauft war, war das eine Sensation. U2 im Hallenstadion 1992 waren absolut ausverkauft, und ich und meine Kollegin Andrea hatten keine Tickets, als wir uns an diesem sonnigen Mai-Abend in den Zug nach Oerlikon setzten. Zum Glück hatte Andrea bereits Konzerterfahrung und wusste: auf dem Schwarzmarkt gibt’s immer Tickets. Und so kaufte ich mein Ticket für mein erstes U2- und und Hallenstadion-Konzert draussen auf der Strasse für 80 Franken - das war fast das Doppelte des eigentlichen Eintrittspreises von 45 Franken.

Ich erinnere mich noch an das Kribbeln, das mich erfasste, als wir danach auf das Hallenstadion zumarschierten, vorbei an den vielen Leuten, an den Merchandising-Ständen, wo ich nach dem Konzert noch einen dieser Textilaufnäher kaufte (meine Mutter musste mir den dann an meine schwarze Jeansjacke nähen), hinein in die Halle.

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Nummerierte Sitzplätze gab’s damals noch nicht, man konnte sitzen und stehen, wo man wollte. Wir platzierten uns rechts von der Bühne auf der Rennbahn, da hatte man einen guten Blick auf die Bühne.

Ich erinnere mich an die Vorband, die Iren FATIMA MANSIONS, die ich ziemlich langweilig fand. Das Publikum pfiff sie gnadenlos aus - U2-Publikum ist da ziemlich radikal…

Ich erinnere mich an den DJ BP Fallon, der nach der Vogruppe einen der buntbemalten Trabbis bestieg, die rund um die Bühne von der Decke hingen. Dort drin legte er Bob Marley und Jimmy Cliff auf und rief dazwischen zu Safer Sex auf. Ich fühlte mich sowas von erwachsen.

Vom U2-Auftritt habe ich noch die Euphorie in Erinnerung, die ich während der 2 Stunden fühlte - die Show und diese Musik zog mich in ihren Bann. Vielleicht ist deshalb die “Zoo-TV”-Tour für mich immer noch die ultimative U2-Tour - dieses Level an Relevanz und Wahnsinn erreichten U2 später nie mehr. 

Ich erinnere mich an Bonos 1. Auftritt vor den flackernden Videowänden. Wie er später mit einer riesigen Fernbedienung durch die Kanäle zappte. An den Unplugged-Teil mit den alten Hits in der Mitte des Sets. Wie U2 einen Trabbi wie eine Disco-Spiegelkugel in der Mitte der Halle in die Luft zogen und dazu ABBA’s “Dancing Queen” sangen.

Die gesamte Setlist des Konzerts gibt’s hier. Und von dem Gig gibt’s sogar Bootlegs. Die Kritik des Tages-Anzeigers gibt’s hier, und die Kritik der NZZ hier. 

Es war ein einschneidendes Erlebnis für mich, dieses Konzert, mein erstes U2-Konzert. In den folgenden 20 Jahren sah ich U2 noch 14 weitere Male in verschiedenen Ländern und Stadien. Und auch im Hallenstadion sah ich noch dutzende weitere Konzerte. Nur wenige können es mit diesem 27. Mai 1992 aufnehmen. The first cut is the deepest.

u2.com

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“Ein Lied, das dich vielleicht ein Leben lang begleitet, kostet weniger als ein Snickers an der Tanke.”
Bela B. von Die Ärzte im Rolling Stone über den Streit um Musiker-Urheberrechte.

Lambchop - Damaged (2006)

Das gibt’s wirklich: Stillstand auf hohem Niveau. Kurt Wagner und seine Könige der stillen Töne beweisen es auf DAMAGED eindrücklich (und überraschen uns zum Schluss noch ganz gehörig).

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IS A WOMAN (2002) ist meiner Meinung nach noch immer das unbestrittene LAMBCHOP-Meisterwerk: viele feine Balladen, mal ein bisschen Country, mal fast schon Jazz oder Blues, immer wunderbar instrumentiert, sorgfältig gespielt, Kaminfeuermusik vom Feinsten. Und Wagners Stimme: kaputt, klagend, brummelnd, kippend, heiser. Die letzte Platte (ein Doppelalbum) war schon fast zuviel des Guten (besonders, weil nicht nur Gutes drauf war). Doch nun sind LAMBCHOP in neuer Frische zurück - offensichtlich brauchte es die schwere Krankheit von Kurt Wagner, um wieder auf das richtige musikalische Ziel zusteuern zu können.

Auch DAMAGED ist eine Schaukelstuhlplatte, schon vom ersten Lied an  (“Paperback Bible” mit der schönen Zeile “You can turn me on / Almost any day at noon”) wird man wunderbar in ein sanftes Soundgewand eingepackt: ein paar Gitarren hier, ein warmes Piano da, Bass und und ein paar Streicher dort, und Kurt ist so nah am Mikrofon, dass man jedes Schmatzen in seinem Mund hören kann. So klingen 7 Minuten und 48 Minuten im Himmel.

Und die Platte bleibt praktisch immer auf diesem Niveau. Mal ist’s etwas gar behäbig (“Beers Before The Barbican”), manchmal herrlich obskur (“Rise And Fall Of The Letter P”). Aber immer zeigt sich die grosse Stärke dieser Band: sie bleibt bei allem Gefühl, bei all den den Emotionen trotzdem entspannt. LAMBCHOP wissen, wie viele Töne genügen.

Und zum Schluss gibt’s dann noch die Hass-Tirade “Decline Of Country And Western Civilisation” - ein sensationeller Schlusssong, in dem LAMBCHOP die eben erwähnte Formel gehörig durcheinanderbringen: Mit Paukenschlägen beenden sie das Schläfchen auf dem Schaukelstuhl, Kurt rappt schon beinahe über ein nervöses Gewimmer der Streicher (“Damn, they’re looking ugly to me!”), ab und zu gibt’s ein paar Sekunden Verschnaufpause mit Piano, danach wieder einen Tritt in den Hintern - am Schluss, wenn Kurt vershönlich singt “You’re good looking!”, kann man gar nicht mehr anders als sich ergeben. Ein starkes Stück LAMBCHOP.

Lambchop - Awcmon / Noyoucmon (2004)

Weil ich gerade Lust auf Lambchop habe - meine Review ihres Doppelalbums von 2004.

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Diese Platte, ja die Musik von LAMBCHOP zu beschreiben, ist irgendwie nicht ganz möglich. Hier deshalb erstmal die Facts: Der Output von Kurt Wagner und seinem guten Dutzend Bandkollegen war diesmal so gross, dass es gleich für 2 CD’s reicht. Das Doppelpack wurde von den Musikmagazinen mit Lob überschüttet und dann auf den Jahresend-Listen doch vergessen. Und das ist schade. Das lustige an dieser Platte ist: Sie ist eigentlich lauter als der Vorgänger IS A WOMAN (2002). Aber trotzdem fallen diese Songs weniger auf. Sie sind der perfekte Soundtrack für eine Fahrt im offenen VW-Käfer an einem hellen Sommertag. Und Wagner kratzt dann in seiner unverwechselbaren Stimme die Sahne oben weg. Aber eben: reinhören sagt mehr als meine Worte.

Heute auf dem Plattenteller: das wunderschöne “Gone Tomorrow” von Lambchop. Die Streicher am Ende des Songs erinnern mich an das Outro von U2s “All I Want Is You”.

Es ist sowas wie der Epilog meiner 10 Jahre bei Radio 24: der wöchentliche Podcast der Radio 24 CH-Szene, jener Sendung über Schweizer Musik, die ich zwischen Herbst 2007 und meinem Abgang im letzten Januar betreute, wurde mit dem European Podcast Award 2011 ausgezeichnet.

Das klingt jetzt grossartiger als es ist. Denn korrekterweise muss ich schreiben: Ich wurde mit dem European Podcast Award 2011 in der Kategorie “Switzerland” und der Unterkategorie “Professional” ausgezeichnet. Das ganze ist im obigen Sieger-Video zu sehen (ab 7:22, nur ganz kurz…) oder in diesem PDF-Sheet. Für jedes Land gab’s die gleichen Kategorien.

Also: der CH-Szene-Podcast hat einen Preis gewonnen in einer Unterkategorie einer Unterkategorie.

Aber ich will nicht schnöden: gewonnen ist gewonnen. Es freut mich, denn schliesslich war ich auf meine mehr als 200 Podcasts ziemlich stolz (die meisten davon lassen sich hier noch herunterladen). Und: Ich könne noch meinen Preis, ein Olympus-Aufnahmegerät abholen, schreibt mir mein früherer Chef bei Radio 24. Das ist doch was.